Audio: „Nie wieder!“ heißt auch: Aus linken Fehlern lernen

Essentials eines erfolgreicheren Antifaschismus

Vortrag von Lothar Galow-Bergemann

gehalten am 18. November 2024 in Wien

Jahrzehntelang hat man sich in Deutschland und Österreich damit gebrüstet, wie viel man aus der Geschichte gelernt habe. Doch wäre der Nationalsozialismus wirklich aufgearbeitet, gäbe es keinen Aufstieg von AfD und FPÖ. Das offizielle „Nie wieder!“ vermag weniger denn je den braunen Dreck zu kaschieren, der über Generationen hinweg an Stamm- und Küchentischen weitergegeben wurde und heute wieder in großen Teilen der Gesellschaft kursiert. Menschenfeindliches, rassistisches und antisemitisches Denken und Handeln erfasst zunehmend auch die selbstgefällige „Mitte der Gesellschaft“, die sich „fern von allen Extremen“ wähnt. Nie seit 1945 war die autoritär-faschistische Gefahr so groß wie heute.

Doch auch in der Linken sind Nationalsozialismus und Antisemitismus oft immer noch nicht verstanden. Die Behauptung „das Volk wurde damals von den Nazis verführt“ traut den Menschen nicht zu, handelnde Subjekte zu sein. Das ist kompatibel mit der Überzeugung, man selbst sei zur „Führung der Arbeiterklasse“ berufen. Autoritarismus gibt es auch von Links. Besonders ausgeprägt erscheint er derzeit in dogmatischen „roten Gruppen“, die sich offen auf Führergestalten wie Lenin, Stalin und Mao berufen. Ganz so, als ob deren blutige Rezepte, die Millionen Menschenleben auf dem Gewissen haben, nicht längst desaströs gescheitert seien. Schon die „revolutionären“ Parolen der alten KPD blamierten sich 1933 auf dramatische Weise. Waren die K-Gruppen der 70er Jahre nur noch deren billiger Abklatsch, so sind ihre heutigen Wiedergänger nichts als der Abklatsch vom Abklatsch des Gescheiterten.

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Lachen ist Notwehr – “Die fünfte Gewalt”

von Minh Schredle

Nicht immer bricht sich im Gelächter unbeschwerte Heiterkeit Bahn, glockenhell und in Pastellfarben. Der Stuttgarter Herbert Grammatikopoulos hat 56 Köpfe des deutschsprachigen Kabaretts porträtiert. Hier entpuppt sich Humor als Mittel der Selbstverteidigung gegen den Wahnsinn der Welt.

Humor ist nicht mehr zeitgemäß. So wie die Lohnfortzahlung im Krankheitsfall. Letzteres steht in der FAZ. Und dass sie das ernsthaft gedruckt hat, ist ja doch wieder ein bisschen komisch. Also gut. Überdenken wir den Einstieg noch einmal: Mit Blick auf die Verhältnisse kann einem, einer und erst recht allen dazwischen das Lachen durchaus vergehen. So schreibt Herbert Grammatikopoulos in seiner Würdigung der 2010er-Jahre: “Von einer Weltwirtschaftskrise zur Eurokrise, über die Griechenland-‘Rettung’, die seit Mitte des letzten Jahrhunderts bekannte, aber geflissentlich ignorierte Klimakrise, den Pferdefleischskandal, die Ungeheuerlichkeit, dass die personifizierte Unfehlbarkeit, der Papst, sein Amt niederlegt, der Arabische Frühling, der zum Winter wurde, NSU, ein Jahrzehnt Krieg in Syrien und nicht zu vergessen die Dutzende regional eingegrenzten Dauerkriege, die zu Fluchtkrisen führten, obendrauf und nebenan die Neo- und Alt-Nazis, Terror in grausamer Form – und für Deutschland besonders wichtig: Autokrise, Dieselkrise – um nur einige wenige zu nennen.” 

Aus heutiger Sicht, ist man geneigt, ihm zuzuseufzen: Hach, wie schön das damals war. Die guten, alten Zeiten eben. Als bei all dem auch schon damals grassierenden Wahnsinn doch noch einigermaßen unvorstellbar schien, dass zum Jahresbeginn 2025 der reichste Mann der Welt bei der Vereidigung des US-Präsidenten zwei Mal den Hitlergruß zeigen würde. Doch gerade weil sich “der Unbill der Welt” nicht rein rational auflösen lasse, argumentiert Grammatikopoulos, brauche es Satire zwecks Selbstverteidigung, Humor für angewandte Gegenwartsbewältigung und Witz als intellektuelle Notwehr.

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Von links nach rechts

“Bund gegen Anpassung” und Ahriman-Verlag

von Lucius Teidelbaum

In Freiburg ist eine sonderbare politische Gruppe beheimatet, die aus der linken Szene stammt, aber schon länger an das Netzwerk der extremen Rechten angedockt hat: der “Bund gegen Anpassung” (BgA), zu dessen Dunstkreis auch der Ahriman-Verlag gehört.

Bei den vergangenen Stuttgarter Buchwochen im November und Dezember 2024 bot sich Besucher:innen ein bemerkenswertes Kontrastprogramm: Direkt neben der Landeszentrale für politische Bildung hatte der Freiburger Ahriman-Verlag seinen Stand, ausgestellt waren Titel wie “Wie unrecht hatte Marx wirklich?”, daneben den Klimawandel leugnende oder den Feminismus kritisierende Publikationen mit einem oft an rechte Verschwörungsideologien erinnernden Duktus. Was wenig verwundert: Der Verlag gehört zum Kosmos des “Bundes gegen Anpassung” (BgA), einer sonderbaren politischen Gruppe aus Freiburg, deren Wurzeln in der Zeit der westdeutschen K-Gruppen liegen.

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Bürgerliche Mitte und Rassismus

Sobald “die Richtigen” sie vertreten, werden inhumane Einlasskriterien der EU beklatscht

von Hans-Peter Häfele

Exakt ein Jahr nach den infolge der Enthüllungen der ,,Correctiv“- Recherchen über die ,,Remigrationspläne“ der AFD aufgeschreckten bürgerlichen Wählerschichten und daraufhin stattgefundenen Massenmobilisierungen in vielen deutschen Großstädten fand die berechtigte, kollektive Empörung nun erneut einen Anlass sich als ,,gesunde, demokratische Mitte“ medial- öffentlichkeitswirksam zu inszenieren. Nach Einschätzung der Veranstalterin folgten am Samstag, 18.Januar 2025 bis zu 5000 Menschen auf dem Karlsruher Marktplatz einem Aufruf unter dem Motto: ,,Mit uns statt gegen uns“ sich sichtbar im Rahmen einer Kundgebung gegen den unverblümten Rassismus der AfD zu versammeln. Anlass war das Bekanntwerden einer Wahlkampfaktion der Karlsruher AfD, welche darin bestand, ,,Abschiebetickets“ in die Briefkästen von Bürgerinnen zu werfen, deren Namen irgendwie ,,ausländisch“ klingen um diesen Menschen klar zu machen, dass sie hier in Deutschland bestenfalls geduldet, als kulturfremde Kostgänger der hiesigen Leistungseliten, jedoch auf Dauer unerwünscht sind.

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“Telepolis”-Archiv gelöscht: Das Internet vergisst

von Minh Schredle

Eines der ältesten Online-Magazine der Republik hat alle Artikel gelöscht, die dort vor 2021 erschienen sind. Der frühere “Telepolis”-Chefredakteur Florian Rötzer verweist auf große Löcher im digitalen Gedächtnis. Was dokumentiert bleibt, entpuppt sich als Machtfrage.

Schon vor dem Verschwinden war das Lesen betreut. Seit dem Frühjahr 2024 fand sich unter allen “Telepolis”-Texten, die vor dem bislang einzigen Wechsel in der Chefredaktion erschienen sind, ein Warnhinweis: “Der folgende Beitrag ist mehrere Jahre alt und entspricht daher möglicherweise in Form und Inhalt nicht mehr den aktuellen journalistischen Grundsätzen.” Gekennzeichnet wurden alle Beiträge, die nicht unter der Leitung von Harald Neuber entstanden sind. Offenbar war die pauschale Distanzierung vom eigenen Inhalt nicht ausreichend: Unter dem Schlagwort “Qualitätsoffensive” erfolgte im Dezember 2024 die Löschung zehntausender Artikel, da “Telepolis”, wie in der Erklärung zum Vorgang steht, auf “Transparenz und Glaubwürdigkeit” setze.

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Linksunten-Archive: Schlampiger Strafbefehl

von Minh Schredle

Die Politolog:in Detlef Georgia Schulze hat ein Archiv der verbotenen “linksunten.indymedia”-Plattform veröffentlicht und sich dazu bekannt. Nach aufwendigen Ermittlungsarbeiten folgt fünf Jahre später ein Strafbefehl – der sich jedoch gegen ein anderes Linksunten-Archiv richtet.

Eigentlich erscheint der Sachverhalt nicht allzu knifflig: Im Januar 2020 veröffentlichten Unbekannte ein Archiv des linksradikalen Portals “linksunten.indymedia”. Die Seite war vom Netz genommen worden, nachdem sie das Bundesinnenministerium 2017 verboten hatte, weil es dort strafrechtlich relevante Beiträge zu lesen gab und es sich um die “wichtigste Plattform des gewalttätigen Linksextremismus” gehandelt habe. Die Veröffentlichung des Archivs knapp drei Jahre später unter der Adresse “linksunten.archive.indymedia.org” war mit dem Aufruf verbunden: “Ladet es herunter, teilt es und erstellt Mirrors der Seite.”

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Marx gegen Moskau

Zur Außenpolitik der Arbeiterklasse

Buchvorstellung und Diskussion mit Timm Graßmann

Donnerstag, 20. Februar 2025, 19.30 Uhr, Stuttgart

Stiftung Geißstraße 7, 70173 Stuttgart

Eine gemeinsame Veranstaltung von Schmetterling Verlag und Emanzipation und Frieden

Es bleibt noch immer bemerkenswert, wieviel Sorgfalt das Moskauer Reich sowie auch das moderne Rußland stets darauf verwendet haben, Republiken zu vernichten. Novgorod und seine Kolonien führten den Reigen an, die Kosakenrepublik folgte, Polen schließt ihn ab.
(Karl Marx)

Marx’ Gedanken zur russischen Autokratie und zu einer Außenpolitik der Arbeiterklasse können als Antizipation des russischen Angriffskriegs auf die Ukraine verstanden werden.
Mit seiner «traditionellen auswärtigen Politik» des territorialen Expansionismus sah Marx den russischen Staat in einer Selbstbezüglichkeit und Maßlosigkeit verfahren, die der ökonomischen Bewegung des Kapitals ähnelt: Eine Eroberung ist nur der Ausgangspunkt für die nächste.

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Desvia o olhar ou solidariedade com Israel?


Choque de civilizações e delírio antissemita de extermínio

por Lothar Galow-Bergemann

Muito obrigado ao Marcos Barreira pela tradução

1. “Israel deve ser eliminado da face da Terra”; “a raiz do regime sionista deve ser arrancada”; “o uso de uma única bomba atômica destruiria completamente Israel, causando apenas danos limitados ao mundo islâmico”.

Engana-se quem colocar essas palavras na boca do atual presidente iraniano Ahmadinejad. A primeira citação é de Khomeini, o líder da revolução iraniana de 1979 a 19891; a segunda é do atual líder religioso Khamenei2 e a terceira é do ex-presidente Rafsanjani3, que na Alemanha goza seriamente da reputação de “moderado” do regime iraniano.

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Die Bremse lockern

Im Bundestagswahlkampf dürften SPD und Grüne die hohen Mieten thematisieren

von Minh Schredle

SPD und Grüne machen die hohen Mieten zum Wahlkampfthema. Dabei hilft beiden Parteien paradoxerweise, dass sie in der laufenden Legislaturperiode praktisch nichts gegen die Mietsteigerung unternommen haben.

»Jetzt faire Mieten wählen«, appellierte die SPD im Bundestagswahlkampf 2021 und versprach: »Scholz packt das an.« »Angepackt« wurde allerdings statt der Mieten bloß der Wohnungsbau, und auch der nur rhetorisch: Als die Bundesregierung unter Kanzler Scholz ihre Arbeit aufnahm, gab sie als Ziel vor, dass jedes Jahr 400.000 neue Wohnungen entstehen sollten – wobei Scholz im vergangenen Februar bekräftigte, dass es sich bei dieser Zielmarke eher um die Untergrenze des Bedarfs handle. 

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Video: Klassenkampf – Zaubermittel gegen Faschismus?

Nachhaltige Antworten auf die autoritäre Welle müssen anders aussehen

Vortrag von Lothar Galow-Bergemann mit anschließender Diskussion

gehalten am 17. November 2024 in Wien

im Rahmen der ACT NOW II: Konferenz gegen Rechts der Grünen Bildungswerkstatt Wien

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“Decolonize!” heißt auch: Befreiung von Antisemitismus

Knappe Stichorte zu einer Leerstelle in der Debatte

von Lothar Galow-Bergemann

Europa hat den Antisemitismus in große Teile der Welt exportiert:
– mit dem Christentum
– mit dem Kapitalismus
– mit dem Nationalsozialismus
Der Hass auf Juden_Jüdinnen ist schon lange nicht mehr ausschließlich weiß und westlich.

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Krankes Deutschland

Arbeit macht krank und Kranke sollen arbeiten. Das Kapital verlangt Opferbereitschaft.

Vortrag und Diskussion mit Minh Schredle

Donnerstag, 30. Janur 2025, 19.30 Uhr ONLINE

Vortrag und Diskussion werden über YouTube gestreamt: https://www.youtube.com/channel/UCtsVCoQxu64vRQH2IYP51sA/videos Außerdem kann man auch über Zoom teilnehmen: https://us02web.zoom.us/j/86260877429

Eine gemeinsame Veranstaltung von Emanzipation und Frieden und krisis Kritik der Warengesellschaft

Der Mercedes-Chef und der Allianz-CEO sind sich einig: Der Krankenstand in Deutschland sei zu hoch, lautet ihr Befund. Wieder einmal sollen der Wirtschaftsstandort und „unser“ Wohlstand in Gefahr sein. Unternehmen schicken Privatdetektive los, die überprüfen sollen, ob Beschäftigte denn wirklich arbeitsunfähig sind, Lobbyverbände fordern von der Bevölkerung, entschlossener die Zähne zusammenzubeißen und in der FAZ befindet ein Kommentator: „Lohnfortzahlung in Deutschland ist nicht mehr zeitgemäß.“

Gemeinsam ist diesen autoritären Appellen zur Selbstzurichtung ein paranoider Verdacht, dass die Bundesrepublik zu einem Paradies für Blaumacher verkommen sei. Untermauert wird das mit allerlei statistischer Scharlatanerie – dabei deuten repräsentative Befragungen vielmehr darauf hin, dass sich etliche Beschäftigte auch krank zur Arbeit schleppen. Zudem spricht die Empirie dafür, dass es der Bevölkerung psychisch tatsächlich immer schlechter geht.

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NORMAL – Eine Besichtigung des Wahns

Ein Abend gegen Irrationalismus und instrumentelle Vernunft

mit Thomas Ebermann, Thorsten Mense und Flo Thamer

Donnerstag, 13. Februar 2025, 19.30 Uhr, Esslingen

Einlass 18.30 Uhr

Komma Jugend und Kultur, Maille 5-9, 73728 Esslingen

Tickets im Vorverkauf Standard 13,20€ Geringverdiener 9,00€

Abendkasse: 15 bis 20 €

Pandemie, Klimawandel, Kriege, die Steuererklärung, der Verkehrsstau – Krisen über Krisen, und kein Ende in Sicht. Die einen fliehen in den Verschwörungsglauben oder gleich vollends in den Faschismus. Sie sind die Endzeit-Krieger in Tierkostümen, folgen QAnon bis ins Capitol. Sie sind die Aluhut-Trägerinnen, die gegen Chemtrails und Impfzwang demonstrieren. Es sind die Incels, die Reichsbürger, die Kämpfer gegen den »Great Reset« und den »Großen Austausch«. Die anderen halten am gesunden Menschenverstand fest. Sie verteidigen den Experten gegen den Scharlatan, die Vernunft gegen den Wahn. Sie sind fleißig, halten Nationen und Eigentumsordnung für so natürlich, wie dass der Starke den Schwachen besiegen muss. Sie wissen, dass Kollateralschäden nicht schön, aber unvermeidbar sind: Die Hungernden, die Obdachlosen, die Erfrierenden in jedem Winter, die Ertrunkenen im Mittelmeer. An Horoskope glauben sie nur, wenn die ihnen raten zu tun, was die Gesellschaft von den Menschen ohnehin verlangt. Ihre Vernunft ist eine instrumentelle, Vernunft im Dienste der Unvernunft. Es geht nur um das Wie, nicht um das Wofür. Effektivität ersetzt jeden Gedanken an eine menschenfreundliche Einrichtung der Welt. Erlaubt ist selbst im Denken nur, was nützlich ist.

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Die Kraft des Lichts

Michael Förtsch und Qant

von Minh Schredle

Ein Computer, der mit Licht statt Strom rechnet, und eine Prothese mit Gedankensteuerung: Das erst sechs Jahre alte Start-up Qant aus Stuttgart präsentiert zwei futuristische Prototypen. CEO und Physiker Michael Förtsch trägt einen fast größenwahnsinnigen Anspruch irritierend bescheiden vor.

Der unscheinbare Klotz in der Handwerkstraße, Stuttgart-Vaihingen, lässt wenig von den Ambitionen erahnen, die im Inneren gehegt werden. Hier teilt sich die 2018 gegründete Firma Qant einen vierstöckigen Bau mit einer Unternehmensberatung und einem Postdienstleister. Verglichen mit den Protzpalästen von Techgiganten wie Google, Apple oder Nvidia ist das nicht einmal eine Tüftlergarage. Darin weist Physiker und CEO Michael Förtsch auf einen metallischen Schrank mit Glasfront: Er beherbergt einen Prozessor, der mit Licht arbeitet und, wie Förtsch sagt, die Welt der Computer auf den Kopf stellen könnte.

Wo Elon Musk den guten Ruf der Techvisionäre nachhaltig diskreditiert hat und sich das substanzlose Prahlen als allgemeine Kulturtechnik etablieren konnte, verwundert die nüchterne Art des Vortrags: Was Förtsch erzählt, klingt im Grunde etwas größenwahnsinnig, aber er wirkt dabei weniger wie ein Crypto-Bro, der mit spektakulären Renditeversprechen für dubiose Investments ködert, als vielmehr wie ein Wissenschaftler, der sachlich berichtet, welche Szenarien er nach seinen Kalkulationen am wahrscheinlichsten hält.

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Der Podcast Emma und Fritz liefert Denkanstöße für eine ideologiekritische Gesellschaft

[erschienen im philosophie Magazin am 08 November 2024. Wir danken der Redaktion für die freundliche Erlaubnis zur Veröffentlichung]

von Marie Sieah

Der eigentliche Existenzgrund der Menschheit ist, wenn wir der „Subversiven Theorie“ des Politikwissenschaftlers Johannes Agnoli folgen, die Hoffnung auf eine Gesellschaft der Freien und Gleichen. Der Begriff der Hoffnung zeigt: Eine solche Gesellschaft ist nicht die unsere, es gilt sie erst noch zu denken und zu gestalten. Ein erster Schritt können die Auseinandersetzung, das Aufdecken und die Analyse bestehender Verhältnisse sein. Sich mit Fragestellungen konfrontieren, die Missstände aufdecken und so Kritik ermöglichen. Der ideologiekritische Podcast Emma und Fritz bietet eben diese Möglichkeit. Ideologiekritik als die Kritik eines „notwendig falschen Bewusstseins“ soll Selbstreflexion ermöglichen und alles als „gegeben“ Gedachte infrage stellen.

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Gute Mienen zum bösen Spiel

Trump und Baden-Württembergs Wirtschaft

Von Minh Schredle und Oliver Stenzel

Die Automobil-Industrie ist ohnehin angeschlagen und Baden-Württembergs Exportgeschäft rückläufig. Nun wurde im Land des wichtigsten Absatzmarktes, den USA, ein Präsident gewählt, der Schutzzölle ankündigt. Ein Stimmungsbild aus dem Südwesten.

Zeitgleich zu den Präsidentschaftswahlen in den USA veröffentlichte die “Zeit” eine Recherche, in deren Vorspann es heißt: “Deutsche Konzerne durften im US-Wahlkampf offiziell nichts spenden – indirekt fanden sie trotzdem Wege. Ihre Hoffnungen liegen auf Trumps politischem Lager.” Der zugehörige Text ist dann ein gutes Stück differenzierter, es ist nämlich keineswegs so, dass bei allen Unternehmen aus der Bundesrepublik einheitliche Interessen unterstellt werden könnten. Und so führt der Artikel aus: “Republikanische Kandidaten erhielten aus dem Umfeld deutscher Konzerne 1,42 Millionen US-Dollar, demokratische dagegen nur 1,15 Millionen Dollar.”

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Klassenkampf: Zaubermittel gegen Faschismus?

Nachhaltige Antworten auf die autoritäre Welle müssen anders aussehen

Vortrag und Diskussion mit Lothar Galow-Bergemann

Freitag, 22. November 2024, 18.00 Uhr, Rostock

Café Median, Niklotstr. 5/6, 18057 Rostock

Eine Veranstaltung von Offenes Antifa Treffen Rostock

Klassenkampf muss sein. Aber höherer Lohn macht nicht antirassistisch, bezahlbarer Wohnraum nicht feministisch und ein Kindergartenplatz nicht kritisch gegen Verschwörungsdenken. Arbeiter*innen sind nicht von Autoritären und Faschisten „verführt“, sie haben ihren eigenen Kopf. Können sie ihre Arbeitskraft nicht verkaufen, ist ihr Lebensunterhalt gefährdet. Dieser Zwang ist eine Brutstätte des Autoritarismus. Zumal in Krisenzeiten. „Wer setzt sich durch – ich oder du, wir oder sie?“ Die rechte Welle entspringt der menschenfeindlichen kapitalistischen Ellenbogenkonkurrenz. Nur Kämpfe, die die Fesseln des Interesses von Arbeitskraftverkäufer*innen sprengen, können antikapitalistisch, antipatriarchal und antifaschistisch sein. „Klassenidentität“ hilft da nicht weiter.

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Audio: “Wir sind die stärkste der Partei’n…”

Die “K-Gruppen”: Anmerkungen zur Entstehung, deren Ursachen, der kurzen Blüte und zum Zerfall.

Vortrag von Volkmar Wölk

gehalten am 23. September in Stuttgart

Niemand kennt die genaue Zahl. Aber rund 100.000 Menschen dürften es gewesen sein, die im “roten Jahrzehnt”, den 1970er-Jahren, in der BRD die diversen Gruppen der “ML-Bewegung in Westdeutschland” durchlaufen haben. Eine Masse, die nie zur relevanten politischen Kraft wurde. Vor dem Aufstieg dieser “K-Gruppen” lag das Scheitern der antiautoritären Bewegung, das Verblassen der Hoffnungen, die in die 68er-Revolte gesetzt worden waren. Ihr Gegenmittel: autoritär strukturierte Organisationen, Rückgriff auf die Ideologie der KPD der Weimarer Zeit – einschließlich ihrer Fehler. Der kurzen Blüte folgte ein schnelles Scheitern. Das neuerliche Auftreten ähnlicher Gruppen zeugt von Fantasielosigkeit, von Lernunfähigkeit. Volkmar Wölk wirft einen Blick zurück in die Geschichte eines Teils der außerparlamentarischen Opposition.

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Kranke Arbeitswelt

Wirtschaftsverbände und die Bundesregierung sind sich einig: Die Zahl der Krankheitstage muss reduziert werden. Doch viel spricht dafür, dass es den Beschäftigten tatsächlich immer schlechter geht – und sie sich oft sogar krank zur Arbeit schleppen.

von Minh Schredle

Die Deutschen feiern zu viel krank – diese Behauptung hört man seit einigen Monaten immer häufiger. Zum Beispiel vergangene Woche beim »Arbeitgebertag 2024«, der jährlichen Konferenz der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände (BDA). »Die Krankheitstage sind zu viel«, sagte dort Christian Dürr, der FDP-Fraktionsvorsitzende im Bundestag. Er forderte deshalb: Weg mit der telefonischen Krankschreibung »und hin zu mehr Eigenverantwortung«.

Was der Zwang dazu, sich zukünftig wieder mit Fieber oder Durchfall in eine Arztpraxis zu schleppen, mit »Eigenverantwortung« zu tun hat, blieb Dürrs Geheimnis. Er wiederholte nur, was seit einiger Zeit immer mehr Unternehmer beklagen. Ola Källenius, der Vorstandsvorsitzende von Mercedes-Benz, schlug Mitte Oktober Alarm. »Der hohe Krankenstand in Deutschland ist ein Problem für die Unternehmen«, sagte er dem Spiegel. In seinem Unternehmen fehlten in Deutschland teils doppelt so viele Beschäftigte wie im europäischen Ausland, behauptete Källenius und warnte vor negativen Folgen für den Wirtschaftsstandort.

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